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Werbung für Waren und um Weiber auf dem Campo de' Fiori

  • Autorenbild: Hilda Steinkamp
    Hilda Steinkamp
  • 24. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 30. Aug.

Roms Markt Nr. 1 ist für Überraschungen gut

Campo de' Fiori - "Blumenplatz"/ "Blumenfeld"
Campo de' Fiori - "Blumenplatz"/ "Blumenfeld"
Markt am nicht mehr ganz so frühen Morgen
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Auf dem Campo de‘ Fiori wachsen keine Blumen (fiori). Nicht mehr. Lediglich an Markttagen – Mo-Sa, 7-15 Uhr – findet man solche Gewächse im Floristen-Angebot.


Ich bin schon früh los. Aber noch längst nicht da. Für kurze 8 km verbrauche ich im stop and go zur römischen rush hour auf Lungotevere und mit endlosem Cruisen für einen halbwegs großen und erlaubten Parkplatz 90' an Zeit, 25,8 l/100km an Treibstoff und ein hohes Kontingent an Gelassenheit.

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Hindernisfahrt

Meine im Navi eingespeiste geheime Parkstraße sei gesperrt, verrät mir die KI-Stimme lakonisch unterwegs. Also Stopp, Handy in Hand, neues Ziel, auch Geheimtipp, führt aber mitten durchs Zentrum. Auch hier viele Absperrungen und an jeder Ecke heftige Polizeipräsenz, dazwischen mit Blaulicht und Sirene dunkelblaue Limos mit Durchfahrtsrecht. Mein Navi packt das nicht. Eine Gruppe carabinieri - die militärische Abteilung der italienischen polizia - vor gepanzertem Fahrzeug in einer Seitenstraße schenkt meiner Karosse mit Berliner Kennzeichen und 12-Zylinder-Klang wohlwollende Autokennerblicke. Wiedererkennungsblicke bei meiner zweiten Runde. Und bei meiner dritten Irrfahrt auf ihren Standort zu schreitet eine schlanke uniformierte Hoheitsgestalt gelassen auf die Fahrbahn und gebietet mir mit sanfter Handgeste Einhalt. Ob er helfen kann? Was die signora hier sucht? Dreimal an derselben Stelle vorbeinavigieren erregt wohl seinen Verdacht. Sagt er zwar nicht. Hör ich aber raus. Ich beteuere, dass Navi und Fahrerin immer wieder durch eine Absperrung just an dieser Stelle von ihrer Zielroute abgelenkt werden. War doch sonst freie Fahrt hier. "Sei turista?", will er wissen. "No, no, sono residente romana," präsentiere ich stolz meine größte Trumpfkarte. Den frisch gestanzten Italo-Perso gleich mit. Er wägt bedächtig prüfend ab, bezieht meinen flehentlichen Augenblick mit ein. In eine spontane Hilfsaktion. Mit eleganter Geste zückt er einen Autopiloten und lässt einen Poller, dann noch einen - die Breite meiner macchina taxierend - in den Asphaltuntergrund versinken. Und wünscht noch "Buon viaggio, signora!" Ein echter cavaliere! Uniformierte Staatsgewalt, offizieller Gestus, aber bürgernah. Keine Fotos von solchen Begegnungen, weiß ich aus Vorerfahrung. Mein Tag ist gerettet!

Zum Campo de' Fiori

gelange ich, als die Aufbauarbeiten schon beendet sind:

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Eine Stofftasche mit Logo winkt mir einen Willkommensgruß zu. Dutzende römischer casalinghe streichen prüfend um die Marktstände herum. Als versierte Hausfrauen wollen sie das Frischeste vom Frischen erwerben, solange die Morgentemperaturen Ende Juli noch gnädig sind zur Kundschaft und Produktpalette aus regionalem Anbau.


Hier tauche ich ein in die Düfte und Gerüche, die Farben und Formen, die Geschmäcker und das Geschnatter auf dem „Blumenfeld“:


Ernteprodukte mit fragiler Hitzeresistenz werden von Hand freschissimi gehalten, mit sprudelndem Wasser aus gusseisernen Trinkbrunnen mit Ausgussrohren, die groß wie Riesennasen sind, entsprechend nasone heißen und in Rom an über 2000 Stellen schlappe Touristen wie emsige Marktbetreiber mit erfrischendem Trinkwasser auf Trab halten. Dies sprudelt seit der Römischen Republik v. Chr. aus sauberen unterirdischen Aquädukten. Jeder Platz hat zudem einen Schaubrunnen (für die einstige Wasserverteilung an die anwohnenden Haushalte), der Campo auch, wenngleich in schlichter Steinausführung.

Fast ausschließlich in Männerhand

liegt das Marktgeschäft auf dem Campo. Da staune ich und frage mich durch. "Siamo gli unici a comandare qui, noi maschi!", klopft sich ein ragazzo auf die breite Brust und spielt mit seinen Bi- bis Triceps. Aha, Muskelkraft also regiert hier das Geschäft. Und die bringen einzig Männer mit. Meint Giorgio. Offensichtlich keine soft skill beim Rekrutieren von Mitarbeitenden. Auswahlkriterium. Denn dies ist ein 12/6-Job, erklärt Gio weiter. Vor 6 Uhr in der Früh wird das Handelsgut angefahren und auf Holzständen wohlfeil ausgebreitet, nach Marktschluss gegen 15 Uhr wieder abgeräumt und in Lagerhallen untergebracht, oft auch nur in einer halbwegs kühlen Garage. Vor 17, 18 Uhr kein Feierabend. Nix für Frauen, denke ich, die in traditionell matriarchalisch geführten Haushalten Vollversorgung mit Kost und Logis für alle anbieten. Nur zwei hochbetagte Marktfrauen habe ich am Stand in dieser Männerwelt entdeckt. Sie verdienen sich was dazu. Renten sind mager im Land, Hausfrauenrenten hier wie in der EU eine trübe Zukunftsvision. Jüngere Frauen - mit Basisbildung - kellnern lieber nebenan.


Im Sales Talk all'italiana
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sehe ich mich unverhofft verstrickt, obwohl ich heute eigentlich nur meinen Fotospeicher aktualisieren wollte. Die Marktmänner U30 stammen mehrheitlich aus afrikanischen und asiatischen Ländern. Und haben Kaufmannsblut in den Adern.


Verkaufen geht über Verkosten. Die umworbene Zielgruppe sind Touristen, gern weiblich, auch in gruppo, die über ihre Geschmacksnerven für delizie della cucina italiana verführbar sind.


Auch Salem aus Indien beherrscht die Kunst der kaufmännischen Umgarnung. Er lockt die Kundinnen an, collega Sahel aus Bangladesh kassiert sie ab, zu Preisen, die wiederum Salem macht. Con la carta oder in contanti, cash - egal. Immer mit scontrino, Kassenbon, der römische Boss mit seinen sechs Marktständen will am Ende des Tages sein Konto aufgefüllt sehen.


Vor 15 Jahren eingewandert, spricht Salem eine köstliche Mischung aus Italienisch und Englisch. Er macht den uomo onesto, Ehrenmann, der Frauen wertschätzt, allerdings auch

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nationaltypisch den direkten Blickkontakt dezent vermeidet, vom Herzen spricht (parlo dal cuore), wenn er Kostproben auf Crackern oder Flüssiges in Pappbechern offeriert, und keine Lügen auftischt (non dico bugie), wenn er die gehobene Produktqualität von pasta, pesto e liquori auf seinem Warentisch anpreist und ebenso die hochpreisige Auszeichnung begründet. Von der er im gleichen Atemzug, wie er mich großherzig zu seiner amore mio befördert, großzügig die Hälfte als sconto, Rabatt, abzieht.


Salem gibt wirklich alles, er ist kaum zu bremsen in seinem Bestreben, clienti speciali mit immer neuen Gläschen und Fläschchen aus geheimen Vorräten zu überraschen und zu gewinnen. Um mich nicht so kurz vor Monatsende auf dem Konto in die Miesen zu befördern, so begründe ich ihm abwehrend, aber wenig überzeugend ("Ma no, tu sei donna preziosa" - finanziell meint er das wohl), lasse ich den kostbaren Limoncello, aus limoni unter neapolitanischer Küstensonne gereift, zwar nicht ungekostet, aber ohne Kaufgelüst stehen und belasse es bei Balsamico Frutta della Passione plus Salsa di Peperoncini und Crema di Pistacchio. Klingt nicht nur benissimo, schmeckt auch so.


Mein Gang zurück zum Gefährt ist trotz Marschgepäcks entspannter. Lecker probiert, locker parliert, leicht investiert. Zur Siesta vorbei an Schattenvolk vor einer bar und durch Gassen mit geschlossenen botteghe, die Lockangebote im Fenster nur fürs Auge.


Ohne Mittagspause arbeiten asiatisch geführte Läden mit italienischen Kreationen.

Das "Blumenfeld"

Es ist lange her, dass hier Blumen wuchsen. Als der Campo noch ein unbesiedeltes Stück Ackerland mitten im urbanen Zentrum war. 1440 wurde daraus ein gepflasterter Markt. Und mit "fiori" waren Mädchen gemeint, junge Frauen, schön anzusehen, in der Blüte ihrer Jahre.

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Lust auf mehr?

Dann lest meinen nächsten

Blog-Beitrag ;-)!








 
 
 

2 Kommentare


Gast
24. Juli

Was für ein toller Beitrag! Die Bilder sorgen für ganz viel Appetit und Lust auf leckere, frisch hergestellte Speisen ... da läuft einem glatt das Wasser unter der Brücke zusammen!

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Gast
11. Aug.
Antwort an

Lieber Gast, liebsten (leider späten) Dank für deine leckere Lektüre ❣️ Werde doch gen mein Newsletter-Leser/in mit deinet E-Adresse 😊 carissimi saluti da Roma, Hilda



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