top of page

L'Ottobrata Romana - Schwelgen in Kunst & Konsum

  • Autorenbild: Hilda Steinkamp
    Hilda Steinkamp
  • vor 5 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 20 Stunden

Oktober-Genüsse im römischen Stadtgebiet

Mark Kostabi, A Matter of Taste (2017) - Ausstellung in Rom (September 2025 - März 2026)
Mark Kostabi, A Matter of Taste (2017) - Ausstellung in Rom (September 2025 - März 2026)

Fast schon ein Titelbild für die Ottobrata romana,

das genussvolle Leben im Oktober, dem zweiten römischen Sommer nach den üppigen Regengüssen im September, mit milderen Temperaturen und einer gnädigeren Sonne als in den Hitzemonaten Juli und August.


Im Kostabi-Bild: Ein fleischloses Bankett mit Früchten der Felder, Obstwiesen und Weingärten auf elementar schlicht, fast rustikal gedecktem Tisch mit locker fallendem Tischtuch, darauf zwei Kerzen mit wärmender Strahlkraft. Dezent nähert sich von rechts eine Kellnerfigur mit einer weiteren Köstlichkeit unter silberner Haube auf einem Gourmetteller. Hell und heiter die Farben des Speisesaals wie der Gäste, grazil ihre Sitzhaltung, gezügelt ihr Appetit, gelassen das Geplauder eines der beiden Paare bei maßvollem Genuss von Speis' und Trank, einladend ihre Gesten in der Zuwendung zum Tischnachbarn, Weingläser auf schlanken Stilen zum Toast erhoben.


Geschmack im Gaumen - das mag die eine Bedeutung von"Taste" in Mark Konstabis Ölgemälde sein. "A Matter of Taste" - eine Frage des Geschmacks für die Auswahl der kulinarischen Gaben, des stilvollen Ambiente in den Grundfarben Blau, Gelb und Rot, der ausgesuchten Gäste. Esskultur pur.


ree

Ich bin auf dem Parkett einer dekorativen Pop-Art-Show gelandet?! Passend zum leichten Genuss der Ottobrata!


Mitnichten. Ein Blick unter den Tisch enthüllt die verborgene Doppelbedeutung des Titels. Hier im rot-braunen Schattenreich unterhalb der Tischkante lassen zwei weitere Paare einen Genuss von anderer Art erkennen:

ree

fleischlich, begierlich auf den menschlichen Körper gerichtet, mit spitzen Jagdmessern bereit, sinnliche Gelüste mit Gewalt zu stillen. Liegend, kriechend, kniend sind diese Gestalten das nackte Gegenteil zu der anmutig aufrechten Haltung der Figuren oben am Tisch. Die dickflüssigen, sattroten Tropfen aus der umgefallenen Weinflasche am Tischrand stammen wohl weniger von Reben- als von Körpersaft, Blut, das im erotischen Gerangel der Geschlechter fließen kann. Das andere Paar auf dem Boden scheint gutachterlich mit dem Unterkörper einer der messerschwingenden Gestalten vor ihnen beschäftigt zu sein. Über diese "Frage des Geschmacks" an fleischlicher Lust lässt sich sicher eher streiten als über die manierliche Tafelrunde im Lichtbereich.


Oder sind dies vielleicht zwei Seiten ein und derselben Tafelrunde? Kontrollierter Appetit nach außen beim Gastmahl, entfesselte Begierde hinter der Fassade gesellschaftlicher Etikette? Spiegelbild einer dekadenten Gesellschaft?


ree

In einer späteren Version ist Mark Kostabi (*1960 in L.A.) in seiner Bildsprache wie Titelgebung direkter: The Dualty of Decadence (2024).


Vom Genuss zum Gelage

konnte es früher in Rom an milden Tagen im Oktober, in der Ottobrata, durchaus kommen, in adeliger wie schlichterer Gesellschaft. Die harte Feldarbeit war vorbei, die Ernte eingefahren, die Weinlese beendet. Vor allem erlaubten es die gemäßigten Temperaturen im Oktober, sich gefahrlos außer Haus und aufs Hügelland zu begeben, sicher vor Malaria-Attacken in den sumpfigen Niederungen der römischen Flusslandschaft.


Ein mehrfacher Anlass also zum ausgelassenen Feiern!


Hier thront Bacchus von Caravaggio über meiner privaten römischen Ottobrata
Hier thront Bacchus von Caravaggio über meiner privaten römischen Ottobrata

Damit lebte die antike Tradition der Bacchanalien weiter, der Feste zu Ehren des Weingottes Bacchus. Festzüge mit geschmückten Pferdekarren, kostümierten Menschen und reichlich Proviant zog es traditionell aufs Land oder auch zu herrschaftlichen Anwesen am Stadtrand Roms wie der Villa Borghese, die ihreTüren dem Volk zum Feiern öffneten.


Ottobrata romana di arte e cultura

- das ist die moderne Auslegung des feierwürdigen Oktobers, mit einem Reichtum an Aktivitäten, die von verschiedenen Organisatoren in der Stadt Rom gefördert werden. Einige davon habe ich mit allen Sinnen fürs ästhetisch wie kulinarisch Appetitliche und gesellschaftlich Anregende erlebt. Allein, zu zweit, in gruppo.


From Pop to Eternity

Ich komme noch nicht los von der Mark-Kostabi-Ausstellung auf knapp 2000 m² Fläche in einem ehemaligen ländlichen Großbetrieb mit Kuhställen in Roms südlichem Stadtviertel EUR (Esposizione Universale di Roma). Ein ambitioniertes Bausprojekt Mussolinis im Vorkriegssjahr 1938, mit Monumentalbauten im faschistischen Großmanns-Stil, wo die Weltausstellung 1942 ausgetragen werden sollte, die aus bekannten Gründen nie stattfand. Auch nicht auf Druck Mussolinis, das Datum zu verschieben.

ree

Also nochmal zur Vaccheria. Sie beherbergte nach ihrer Umwidmung zum Kulturraum 2022 als ersten Künstler Andy Warhol, seither trägt sie den Namen La Casa della Pop Art a Roma.

ree




Eine Marilyn-Monroe-Skulptur mit einer ikonischen Darstellung ihres Gesichts à la Warhol und ihrem global bekannten, vom Wind belüfteten Rock ziert seitdem den Zugang zum Toilettentrakt.


Mark Kostabis Figuren ohne Gesichter sind sein Markenzeichen.

Wings of Awareness (2025)
Wings of Awareness (2025)

Sie wirken wie Comic-Gestalten in der Tradition Andy Warhols, das leere Oval ihrer Gesichter scheint von Modigliani inspiriert zu sein. Gestalten ohne Individualität, Ikonen der menschlichen Existenz wie Everyman in der angelsächsischen Literaturtradition. Anonyme Wesen ohne eigene Geschichten. Diese ergänzen wir, die Kunstkonsumenten.

ree

Kostabis Genuss-Bild (oben) hat mich aufmerksam gemacht für eine zweite Runde durch die Ausstellung. Seinen ästhetischen Formen kann ich gesellschaftliche Botschaften entlocken. Seine Bilder sind mehr als schöne Dekoration: ein Kosmos voller Bedeutung, verkleidet als dekorative Malerei!


Verkleidung im Hippie-Stil

- darauf habe ich jetzt Appetit! Und auf die leichte Lebensart der 1970er-Jahre. Die finde ich im Secret Garden im Parco tra gli Acquedotti, vor der historischen Kulisse antikrömischer Wasserleitungen, typisch für Roms Wiederverwertungs-Architektur.

ree

Buntes Treiben an den Marktständen mit allem möglichen Lifestyle-Zubehör der Flower Power People: 

ree

Zu meiner Bandana erlaube ich mir den Billigkauf einer Sonnenbrille aus dem Hippie-Kultfilm Easy Rider (1969). Peter Fonda zu doubeln gelingt mir ohne eine Harley Davidson Chopper nicht.


Steel drum und ihr drummer mit dreadlocks verströmen meditative karibische Stimmung, leichter Rauch von Inzeststäbchen zieht durch die Luft.


Tanz zu live music mit Gesang macht das happening komplett:


Geselliges in der Piano Bar Roma

ree

beendet meine 3-tägige Ottobrata.

ree















Die InterNations Community versammelt sich in dieser Bar im platonischen wie alkoholischen Geist ihres Namens Mon Ami: zu Aperitivi, Antipasti und freundlichem Geplauder:

Ja, der Kostabi

ree

hat mich doch nachhaltig beeindruckt. Auch mit seinem Paar-Motiv: Liebende in der Umarmung, gesichtslos, anonym, stilisierte Schönheit, oft in strenge geometrische Formen eingefügt. In unserer heutigen Welt, in der das Visuelle dominiert und einen hohen Marktwert hat, fragt der Maler nach dem Ich hinter der schönen Fassade. Im Spiegelbild versuche ich, mein Gesicht probeweise zu verlieren. Es gelingt nicht. Ganz. Zum Glück.

ree







The Studio System (1991): Industrielle Fertigung von Kunst
The Studio System (1991): Industrielle Fertigung von Kunst

Der Maler versteht sich als "Geschäftskünstler": "Geschäftlicher Erfolg ist die faszinierendste Art der Kunst." In der Kostabi World in NYC lässt der Unternehmer Assistenten Gemälde nach seinem Design fertigen und signiert sie erst, wenn sie seinen Vorstellungen entsprechen. Künstler-Fabriken haben eine lange Tradition von Giotto und Michelangelo über Rubens und Rembrandt bis zu Andy Warhol. Nichts Unrühmliches daran.

 

Wer diese Ausstellung nicht live erleben kann, dem bleibt die virtuelle Kunsttour www.rosinigutman.com: Ausstellungsräume als Kunstwerk, Kostabis als Maler, Bildhauer und Musiker, seine Doppelliebe zu New York und Roma.



My Italy (2016)
My Italy (2016)
Grazie, Consule Federico, per questo evento!
Grazie, Consule Federico, per questo evento!









InterNations family
InterNations family

 
 
 

Kommentare


bottom of page