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Die Blumen-Mädchen auf dem Campo de' Fiori

  • Autorenbild: Hilda Steinkamp
    Hilda Steinkamp
  • 25. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Aug.

Pilgercamp, Pferdemarkt und Liebesgeschäfte - alles an einem Ort

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Von der Wiese zum Pilgercamp und Wochenmarkt

Wo heute im Stadtviertel Parione östlich des Tibers allmorgendlich lebendiges Markttreiben auf dem Campo de' Fiori herrscht: mit Angeboten von regionalen Feldern, Wäldern, Ställen, Küchen, Gewässern, Destillerien, Herstellern von Billigkleidung und Kaffeekochern:

florierten bis ins 15. Jahrhundert noch Blumen auf dem Feld. In der Mitte des Jahrhunderts wurde die Fläche geräumt, gepflastert und mit Quartieren und Tavernen für die zunehmende Zahl an Pilgern bebaut. Zum Petersdom ist es nur noch eine kleine Etappe.


Der Gastbetrieb war damals sicher verhaltener als der Trubel auf dem heutigen Campo mit seinen botteghe, osterie, bar e ristoranti, die nach Marktende Sitzplatzgäste anlocken, aber auch studenti, turisti und ragazzi U18, die lieber auf dem Platz chillen. Die einen wegen klammer Kassen, die anderen wegen Jugendschutzbestimmungen decken sich mit Mischgetränken aus dem mini supermercato ein und füllen den marktfreien Campo bis nach Mitternacht mit Lärm und Leben - la grande movida. 

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Campo de' Fiori in den 1740er-Jahren - Giuseppe Vasi, 1752
Campo de' Fiori in den 1740er-Jahren - Giuseppe Vasi, 1752

Mit dem Pilgercamp entwickelte sich der Platz wirtschaftlich: als Markt für Pferde und Kunsthandwerk. Provisorische Behausungen wichen solideren Gebäuden, auch adeligen Palästen und Hotels. Doch wegen seiner bescheidenen Anfänge bleibt der Campo de' Fiori der einzige römische Platz ohne historisch bedeutsames Gebäude und ohne Kirche.


1869 siedelte der Markt von der benachbarten Piazza Navona hierher um. Vom Markttreiben befreit, konnte die Piazza mit einem Werk von Gian Lorenzo Bernini, Roms Meisterbildhauer des Barock, glänzen: dem Vierströmebrunnen mit Obelisk (17. Jh.). 100 Jahre früher hatte Giacomo della Porta seinen Neptunbrunnen aufgestellt:

Die "Blumen"-Mädchen

Die Blumen waren weg, botanisch betrachtet. Doch der Name blieb. Topografisch: für den Platz. Und metaphorisch: Mit fiori waren schönredend Prostituierte in der Blüte ihrer Jahre gemeint, also junge Frauen und wohl auch minderjährige Mädchen. Im Schutz der Dunkelheit wurden sie vom Campo aus an Adel wie Klerik gleichermaßen für den Liebesverkehr vermittelt. Ausgesuchte Mädchen, oft aus den allerbesten Häusern, von hinreißender Optik und mutmaßlich bester genetischer Ausstattung. Niemand sprach auf dem Platz des Pferdemarktes von Mädchenhandel. In der Grauzone des unehelichen Verkehrs konnten junge Frauen durchaus ihre Aufstiegsphantasien ausleben. Denn nicht immer blieben die inszenierten Erotikabenteuer folgenlos. Mutter eines noblen Sprosses zu werden gab dem Zögling gesellschaftlichen Auftrieb und la mamma wirtschaftliche Versorgung. Im glücklichsten Falle.


Überhaupt war die Prostitution im frühen Kirchenstaat ein wohlgelittener Zeitvertreib. Und Druckabbau für Kirchenmänner im aufreibenden Geschäft des Regierens. Sex- und Missbrauchsskandale aus dem katholischen Kirchenraum, wie sie heutzutage zu Recht die Gemüter erregen, hätten im alten Kirchenstaat keinen Hype wie im heutigen Schlagzeilen-Journalismus erzeugt. Körperliche Liebe war trotz des Zölibats zwar eine halbwegs vertuschte Praxis, aber keine verpönte Sache. Und Sex war einvernehmlich. Sagte man(n).


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Wo heute die Französische Botschaft im Palazzo Farnese auf der gleichnamigen Piazza direkt hinter dem Campo de‘ Fiori residiert, führten aus dem Palast der Adelsfamilie Farnese einst unterirdische Gänge zu Liebesnestern. Hier huschten Mätressen ungesehen, aber höchst willkommen zu ihren päpstlichen oder adeligen Freiern.


Wie die heutige Nutzung der unterirdischen Amour-Adern von einst aussieht, darüber schweigen die französischen Hausherren.

Kurzer Betriebsweg vom Campo de' Fiori zum Palazzo Farnese und seinem Verteilernetz
Kurzer Betriebsweg vom Campo de' Fiori zum Palazzo Farnese und seinem Verteilernetz




Papst Alexander VI. war so ein Liebesabenteurer im 15. Jahrhundert. Aus der einflussreichen spanischen Borgia-Dynastie stammend, erhielt er sein Amt durch Stimmenkauf, nicht unüblich im Machtgerangel um die Amtsnachfolge. Die Verbindung vom Vatikan zum Palazzo Farnese kam ihm sehr gelegen.

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Seine Schar von neun unehelichen Nachkommen, drei bereits aus seiner Kardinalszeit als Rodrigo Borgia, war kein Makel für einen Stellvertreter Gottes, der zu stets jüngeren Frauen neigte, darunter auch Giulia Farnese, die Palasttochter.


Dass eine Geschlechterverbindung oder gar ein Ehebund für Kirchenmänner nicht im Sinne der katholischen Bibelauslegung war, kam Alexanders polyamourösen Neigungen entgegen. Und seinem Herrschaftsanspruch. Er besetzte Schlüsselpositionen der kirchlichen und weltlichen Macht mit seinen Sprösslingen. Bastard war damals keine ehrenrührige Bezeichnung, sondern ein Rechtsbegriff für ein uneheliches Kind, das von seinem adeligen oder klerikalen Vater anerkannt war. Allerdings musste die Anerkennung rechtlich oft hartnäckig durchgesetzt werden. So entstehen Dynastien. Wer sich dem väterlichen Diktum Alexanders bei der Ämtervergabe widersetzte, zahlte mit dem Leben. Nicht jedem seiner Söhne mit weltlichen Ambitionen lag das Priesteramt. Ein allzu früher Tod war dann die Folge.


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Tochter Lucrezia Borgia dagegen war williger. Sie wurde auf päpstliches Geheiß wichtige Mitspielerin im intriganten Gesellschaftsspiel. Mit einer Kernkompetenz: ihrer weiblichen Finesse beim Giftmorden. Auf Banketten ließ sie beim Weinausschank aus ihrem präparierten Schmuckring tröpfchenweise Gift in das Glas eines unliebsamen Gastes und Mitspielers im Poker um Rang und Namen rinnen. Die Menge konnte sie fein dosieren, sodass der Tod des Gastes erst Stunden oder auch Tage später eintrat und in keinen zeitlichen wie ursächlichen Zusammenhang mit der päpstlichen Einladung gebracht werden konnte.  


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Papst Alexanders VI. freizügige Lebensführung verhinderte keine hochherrschaftliche Beisetzung in der spanischen Nationalkirche in Rom, Santa Maria di Monserrato.





Rom birgt so seine Geheimnisse. Und generiert Gerüchte.

Mehr zu Frauen im alten Rom?

Zwischen Ohnmacht und Power?

Dann seid gespannt auf

meinen nächsten Blog-Beitrag ;-)!



 
 
 

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