Auf Pilgerfahrt durch Rom im Jubeljahr 2025
- Hilda Steinkamp

- 14. Dez.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Dez.
Etappe 1: Durch drei Heilige Pforten zu neuem Spirit

Pilgerzeit
Dezembermorgen. Samstag. Sonne pur. Winterwarm. Klima günstig fürs Pilgern. Straßen noch leer. Tank schon voll. Für alle Fälle. Frohgemut die "Pilgerin der Hoffnung". Eine der peregrinantes in spem, so klingt das Motto des Heiligen Jahrs.

Das Heilige Jahr 2025 neigt sich in Rom dem Ende zu. Ich will mich beizeiten noch auf den Pilgerweg machen, entlang der sieben Pilgerkirchen Roms.
Noch stehen alle Flügel der Heiligen Pforten in den vier Papstbasiliken, den Hauptkirchen Roms, offen. Seit Heiligabend 2024.

Papa Francesco, in schwacher Gesundheit, sprach ein Gebet zur kräftesparenden symbolischen Öffnung der Porta Santa in San Pietro im Elektrobetrieb. Der traditionelle Hammerschwung auf die vermauerte Pforte ist lange schon Vergangenheit. Wer will heute noch Staub und Geröll vor dem Kirchenportal bei diesem feierlichen Zeremoniell alle 25 Jahre?! Noch dazu unter Augenzeugen, die Telekamera des Vatikans lässt urbis et orbis zugucken. Nachhaltiges Denken erspart den unfestlichen Räumungstrupp. Versiegelung für die nächsten 24 Jahre tut's ja auch.

Torschluss ist am 6. Januar 2026. Diesmal wird Papa Leone XIV. der Zelebrant sein, mit zwanzig Jahren weniger Lebensgepäck auf den Schultern der schwungvolle und sportbegeisterte Nachfolger seines verstorbenen Vorgängers. Aber es bleibt beim symbolischen Ritual ohne Mauerstein und Mörtel.
Logistische Vorbereitung

meiner 7-Kirchen-Jubiläumstour. Die angeblichen 20 km entpuppen sich mit GPS-Genauigkeit als 30 km Fußweg in 5 Stunden. Oder 33 km Autofahrt in 2 Stunden. Je nachdem, welche Reihenfolge man wählt, dehnt sich die Pilgerreise noch um einiges aus. Die Entscheidung fürs Automobil fällt schnell und mir leicht. Immerhin gibt es seit spätestens 1975, dem Heiligen Jahr der Rekorde, freie Wahl bei den Verkehrsmitteln. Mit Flugverkehr schnellten damals die Besucherzahlen erstmalig auf 9 Millionen. 50 Jahre später soll die 50-Millionen-Marke gesprengt werden. Mit dem TV-Debüt 1975 in San Pietro nahm der gesamte Erdkreis, gläubig oder ungläubig, an der Pfortenöffnung teil.
Konvertit Konstantin I. in der Spätantike
war römischer Kaiser (306-337), gab 313 Religionsfreiheit und etablierte das Christentum als Religion im Imperium Romanum. Ein entscheidender Wendepunkt für Christen. Und für den Kirchenbau. Vier Großkirchen ließ er errichten:




Danach verlegte Konstantin 324 seinen Amtssitz in den Osten des Reichs, in die nach ihm benannte Stadt Konstantinopel. Alles Basiliken, die konstantinischen Gebetshäuser, jede mit eigenem Prestige und päpstlichem Segen, eine davon außerhalb der alten römischen Stadtmauern (fuori le mura) gelegen, alle mit einer Porta Santa ausgestattet. Wer sie durchschreitet, alle 25 Jahre, darf auf spirituelle Erneuerung hoffen. Viele tun das, millionenfach, auch diesmal.
Station 1: San Giovanni in Laterano


Mit der Bischofskirche fange ich an. Sie ist Johannes dem Täufer und Evangelisten gewidmet. Er sprach den christophilen Konstantin als Namensgeber an. Es ist die zweitgrößte Basilika nach dem Petersdom, zugleich die ranghöchste als Papstsitz seit der Spätantike bis zur Rückkehr der Päpste aus Avignon im 14. Jahrhundert. Als "Mutter und Haupt aller Kirchen" preist eine Portalinschrift diese Papstbasilika an.


Leo XIV. ist Bischof von Rom und Papst in Personalunion. Und Hausherr in beiden Basiliken, St. Johannes und St. Peter.
In St. Johannes erlebe ich, wie ein Heiligtum vor schändlichen Übergriffen geschützt wird. Vor der Erleuchtung der herbeieilenden Pilger im Kirchenraum kommen Gepäckdurchleuchtung und Ganzkörperscanner zum Einsatz. Und zwar hurtig und doch ohne Gedränge. Es ist ja noch früher Morgen. Polizia di Stato hat das Kommando. Hier mal eine willkommene Allianz von Staat und Kirche.
Und hier lege ich meine Hand auf die erste Porta Santa, auf eine der vielen blankgewischten Stellen im Bronzerelief. Für ein Foto der beiden prächtigen Flügel ohne hereinströmende Pilger komme ich noch einmal zurück, zwei Kameraschüsse - und wieder raus. War der Plan.
Doch es gibt kein Zurück, wenn man einmal die Pforte durchschritten hat, so belehrt mich freundlich ein wachsamer volontario im schmucken Ministrantengewand. Denn das sei der Sinn der Pforten-Durchschreitung, dass man sein Schicksal in Gottes Hand legt und sich von ihm geleiten lässt.
Also keine Ordnungsmaßnahme, sondern ein religiöses Transfer-Gebot. Das kann ich akzeptieren. Und lasse mich auf dem Weg zum Ausgang noch einmal durch die prächtige fünfschiffige Säulenbasilika leiten - ein architektonischer Quantensprung über verschiedene Epochen seit ihrem schlichten konstantinischen Kerngebäude - und schreite dann hinaus in den Kreuzgang des Klosters:
Station 2: San Paolo fuori le Mura
St. Paul liegt außerhalb der noch erhaltenen antiken aurelianischen Stadtmauern, über dem vermuteten Grab des Apostels, der hier 67 n. Chr. enthauptet worden sein soll.


Seine gigantische Statue dominiert den Vorhof mit seiner vierseitigen Säulenhalle. Als "Verkünder der Wahrheit und Lehrer der Heiden" würdigt die Sockelinschrift den prominenten Apostelfürsten.

Eine Fotodokumentation im Säulengang erinnert an Namensvetter Giovanni Paolo II., Reise-Pontifex und Grande Papa mit Verdienst am Aus des Sozialismus in Polen, der zwar nicht sofort "Santo subito" wurde, wie Verehrer bei seiner Beerdigung 2005 ausriefen, aber doch in Rekordzeit von neun Jahren mit Papa Francescos Schubkraft.

2006 wurde während Umbauarbeiten in der seit 500 Jahren verschlossenen Krypta unter der Apsis ein Sarkophag ausgegraben. Ein Epitaph bestimmte den Toten als Apostel und Märtyrer Paulus (Paulo Apostolo Mart). Stoff- und Knochenreste wurden mittels radiometrischer Datierung in das 1. oder 2. Jahrhundert eingeordnet. DNA-Nachweise zur Person fehlten. Papst Benedikt XVI. mit probabilistischem Denken gab sich überzeugt von der Authentizität der Überreste und verkündete 2008 das Paulusjahr zum Gedenken an dessen 2000. Geburtstag.
Im Heiligen Jahr 2025 drängt es Besucher durch die Heilige Pforte mit neuen Bronzereliefs aus dem Gedenkjahr 2008 in den prächtigen Kirchenraum.

Viele finden sich zusammen in der Krypta bei den mutmaßlichen Paulus-Reliquien, versunken in stillem Gedenken. Oder von ungewöhnlicher Betriebsamkeit ergriffen.

Mit flinken Fingern und vielsprachigen Zungen werden Wunschzettel für eine Santa Messa ausgefüllt, ins Kuvert gesteckt und dann in eine Art Briefkasten geworfen. Gebetswünsche für Lebende und Verstorbene oder Hoffnungen fürs eigene Leben. Pilger der Hoffnung eben in diesem Heiligen Jahr. Spenden sind ausdrücklich erwünscht: "Richtwert € 10", egal, ob die Gebete in kollektiver oder individueller Messe erhört werden sollen.
Freiwillige Ablasszahlung? So sieht's aus. Schon nach Luthers Polemik gegen den "schändlichen Ablasshandel" hatte die katholische Kirche versucht, ihre Gläubigen durch entschärfte Ablassregelungen im christlichen Mutterschiff zu halten. Nachlass der Sündenschuld konnte man ab 1525 auch ohne Wallfahrt nach Rom erhalten, durch Gebete aus der Ferne.
Vor meinem Gang durch die nächste Pforte tauche ich noch einmal rein ins irdische Vergnügen, unter lichten Laubdächern der Platanen, mit Motorgebrüll vom 12-Zylinder, Schlemmereien vom Bistro und staatlicher Obhut durch die Guardia di Finanza, gefeierte Helden der Finanz-, Straßen- und alpinen Wacht, die heute in achtsamer Feierlaune sind und bestenfalls Verkehrstickets verteilen:
Station 3: Santa Maria Maggiore


Was braut sich hier zusammen? Keine Schlechtwetterfront. Santa Maria Maggiore rüstet sich Mitte Dezember zur Christgeburt. In einer Live-Show vor dem Portal werden arabische Menschen von der Zeitenwende ins Jetzt gebeamt, in ihren historischen Gewändern, mit ihren bäuerlichen Handwerken und einer kreativen Nachbildung der Stalls zu Bethlehem. Mit Ochs (oder Kuh) und Esel und Schafen als Statisten zur Geburtsstunde und den Heiligen Drei Königen als Nachzüglern, 2025 in anachronistischer, aber politisch korrekter Konstellation mit einer Königin.

Und dann, wie in einem mittelalterlichen Mysterienspiel, der Höhepunkt der Show "Lebendige Krippe". Die Heilige Familie zeigt sich inmitten der Marienverehrer:
Der Festzug geleitet die Santa Famiglia von der irdischen Plattform feierlich durch die Heilige Pforte ins Kirchenschiff bis hinunter zur Krypta unter dem Papstaltar, wo die Santa Culla, die Heilige Krippe, in vergoldeter Kunstform sowie botanische Reliquien der Jesus-Krippe aufbewahrt werden:

Kein Wunder, dass sich vor dieser Basilika der Pilgerstrom in einer Endlosschlange staut. Nicht nur das Zentrum des Marienkults zieht die Menschen an.
Auch die Gräber von Päpsten und berühmten Bürgerlichen finden Publikumszulauf.
Hier hat Gian Lorenzo Bernini sich in Marmor betten lassen. Gewollt ganz schlicht unter einer Bodenplatte. Ein demütiges Finale des gefeierten Bildhauers, der Rom im Barock mit seinen Marmorfiguren stadtweit bereicherte.
Publikumsliebling ist ein frisches Grabmal in einer einfachen Nische im Seitenschiff. Dort wünschte Papa Francesco eine schlichte Bestattung. Auf der Grabplatte kein Amtstitel, nur ein einziger Name: Franciscus. Das franziskanisches Armutsideal aus seiner Amtszeit (2013-2025) lebt hier fort. Dagegen gibt es keine Ruhe für Besucher, die vom Ordnungspersonal mit forschem scorri, scorri - Lauf, lauf! Weiter, weiter! - angefeuert werden.
Vor der bekanntesten Marien-Ikone holte sich Francesco im Gebet Kraft vor seinen Auslandsreisen. Die Ikone gilt als wundertätig.
Salus populi romani, Beschützerin des römischen Volkes, ist der Titel aus der antiken römischen Republik, der 313 zur Anrufung der Gottesmutter vergeben und zum Namen der Marien-Ikone wurde.
Der Tag neigt sich. Leicht erschöpft, aber weiter kulturenthusiastisch steige ich halbwegs "erneuert" hinauf auf die 360°-Aussichtsplattform der Basilica. Die Dunkelheit legt sich wohltuend über meinen übervollen visuellen und mentalen Speicher.

Derweil macht ein Ordnungstrupp auf dem Pflaster ganze Sache: Die presepe vivante ist an dieser Stelle Geschichte. Bis zum nächsten, "unheiligen" Jahr.

3 Basiliken, 3 Heilige Pforten -
mehr geht nicht an einem Tag.
Die Pilgerreise geht weiter.
Erstmal einen schönen 3. Advent!






























































































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